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28 deutsche Theater aus 22 deutschen Städten sowie ihre 28 Partnertheater aus 20 Ländern weltweit, rund 1.300 Theatermitarbeiter und mehr als 167.000 Zuschauer auf der ganzen Welt konnten in den vergangenen fünf Jahren von dem Fonds Wanderlust profitieren. Und das haben sie: Rund 1.000 Aufführungen wurden im Rahmen des Strukturprogramms gezeigt – von Freiburg bis Schwedt und von Paris bis Bangalore.
Es gab mehrsprachige Koproduktionen, Gastspiele, Performances, Szenische Lesungen, Diskussionsveranstaltungen, Jugendclub-Projekte, Workshops, Filmvorführungen und Ausstellungen. Mal wurden klassische Stoffe auf die Bühne gebracht, mal waren es Stückentwicklungen, Stückaufträge oder Stadtprojekte. Diese Webseite gibt ein beeindruckendes Zeugnis von der Vielzahl von Projekten und Begegnungen sowie ihrer Akteure, von einem Video über die Zugperformance des Maxim Gorki Theaters im Krakow-Berlin-Express bis hin zu einer Tonaufnahme von „Wandrers Nachtlied“, gesungen von zwei russischen Spielern des Akademischen Kisseljow Jugendtheaters aus Saratow in Russland.
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Mit Wilhelmshaven hat meine Reise als Pfadfinderin aus Wanderlust vor einem knappen Jahr begonnen, in Wilhelmshaven endet sie nun wieder – ein schöner Zufall. Auch für die Stadt schließt sich der Kreis: Die Premiere von „Bydgoszcz/Bromberg“ ist die letzte Etappe der geförderten Zusammenarbeit mit dem Theater Polski. Und am Sonntagabend gleichzeitig der Abschluss des Geburtstagswochenendes der Landesbühne Niedersachsen Nord, die mit mehreren Premieren, Empfängen und Vorträgen ihren 60. feierte.

Piotr Stramowski (als Mieszko), Julia Blechinger (als Else), Roland Nowak (als Kazimierz)

Piotr Stramowski (als Mieszko), Julia Blechinger (als Else), Roland Nowak (als Kazimierz)

Stück und Inszenierung von „Bydgoszcz/Bromberg“ sind mir nicht neu (in Bydgoszcz läuft der Abend als „Erdbeersonntag“, hier mein Premierenbericht) und doch ist in Wilhelmshaven alles anders. Zunächst die Verstehbarkeit: Die polnischen Passagen sind übertitelt, aber sie sind lang, das Publikum muss viel und schnell lesen, eine Distanz zu den polnischen Figuren bleibt. Das ist anstrengend, führt allerdings direkt zum Kern des Stücks: zur schwierigen Annäherung zwischen Polen und Deutschen, oft aufgeladen mit Ressentiments und Vorurteilen. Hinzu kommt: Der „Blutsonntag“, den das Stück inhaltlich verhandelt, ereignete sich am 3. September 1939 in Bydgoszcz – in Wilhelmshaven hat man dazu ein gutes Stück Sicherheitsabstand, das ist im Publikum spürbar. Auch wenn viele Vertriebene von damals eine neue Heimat in Wilhelmshaven fanden und diese Geschichte im Innern an die Nordsee mitnahmen – das Thema ist beim durchschnittlichen Wilhelmshavener heute weniger bekannt, als es das vermutlich in Bydgoszcz ist.
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Landscape with the Fall, das neue Stück von Ivana Sajko hatte gestern in Zagreb Premiere. Nach der Braunschweiger Uraufführung folgte also nun die kroatische Erstaufführung des Stücks. Das Theater Z/K/M/ war ausverkauft, die Stimmung hervorragend. Die experimentelle Inszenierung von Daniela Löffner fand große Zustimmung und bekam kräftigen Premierenapplaus. Es folgte eine lange Premierenfeier mit den kroatischen Schauspielern und Mitarbeitern des Braunschweiger Partnertheaters vom Z/K/M/.

Riesenandrang, darunter die kroatische Ministerin für Kultur, Dr. Andrea Zlatar Violić, und das kroatische Fernsehen. Die Premiere von “Yellow Line” geriet so zum gesellschaftlichen Ereignis. Dabei fasst die Seitenbühne des Großen Hauses, wo “Yellow Line” am Samstagabend aufgeführt wurde, offiziell lediglich 146 Zuschauer. Gesehen haben das neue Stück von Juli Zeh und Charlotte Roos allerdings rund 200 Besucher.

Unter den Gästen waren auch der belgische Theaterleiter und ETC-Vorstand Serge Rangoni, Juli Zehs Übersetzerinnen Latica Bilopavlovic (Kroatien) und Christine Bredenkamp (Schwenden) sowie Paolo Magelli. Der italienische Regisseur und Intendant wird im November auch in Braunschweig zu Gast sein. Als prominentes Mitglied der Jury von “Fast Forward”, Deutschlands erstem europäischen Festival für junge Regie, wird er das herausragende europäische Regietalent 2012 auszeichnen.

Entsprechend ausgelassen war dann auch die Feier bis in die frühen Morgenstunden. Kulinarischer Hit des Abends war eine Torte aus Schokoladenmousse, auf die der Konditor den Anlass der Party in süssen Lettern geschrieben hatte: “Žuta crta”, zu Deutsch: “Yellow Line”.

In Bydgoszcz bin ich im Hotel „Pod Orlem“ untergebracht, „Zum Adler“. Es ist das älteste Hotel der Stadt; ein glänzend saniertes Gebäude der Jahrhundertwende mit Adler-Griffen an den schweren Türen und einem riesigen goldenen Greifvogel auf dem Dach – dem Wappentier Polens. Die breite Treppe herab könnte jeden Moment ein Kaiserpaar schreiten. Beim Frühstück höre ich mit halbem Ohr ein Gespräch zwischen einer älteren Dame aus Wilhelmshaven und einem Paar aus Berlin, letzteres auf den Spuren einer Großmutter, die hier einmal gelebt hat. Die Stadt, denke ich, ist auch heute noch voller Erinnerungen und Fragen, die mit der Geschichte der Okkupation und des Kriegs zusammenhängen. (Hier mein Blog-Beitrag über den „Blutsonntag“.)

Der Weg vom Hotel zum Theater führt vorbei an prächtigen, frisch heraus geputzten Häusern der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, aber auch an Bruchbuden ohne Fensterscheiben, an historischen Kirchen, an Geschäften von adidas, Rossmann und Rosenthal. 360 000 Menschen leben hier, manche tragen goldene Handtaschen durch die Einkaufsstraße, einer sucht im Müll Essbares. Ein Fluss, die Brahe, fließt durch die Stadt, viele malerische Brücken bilden das „Bydgoszczer Venedig“, es ist schön hier.

Im Theater wird das zweisprachige Stück von Artur Palyga und Katharina Gericke gegeben, es trägt hier, wörtlich übersetzt, den Titel „Erdbeersonntag“. In Wilhelmshaven wird es im November schlicht als „Bydgoszcz/Bromberg“ laufen. Der junge Mieszko fährt darin mit seinem Großvater zum ersten Mal von Bydgoszcz nach Deutschland. Opa Kazimierz hat am „Blutsonntag“ zwei Menschen getötet, darunter einen zehnjährigen Jungen, wie sich erst am Ende des Stücks herausstellen wird. Während des Kriegs wurde er von den Deutschen im KZ interniert und ist nun in Wilhelmshaven zu einer „Versöhnungskonferenz“ eingeladen. Insgeheim hofft er, dort auf Elsa zu treffen, die ihn einst, als junges Mädchen, vor den Deutschen versteckte und später flüchtete. Doch die beiden verfehlen sich. Bei einem Abstecher ins Einkaufszentrum rastet Mieszko plötzlich aus, und Kazimierz bedroht dort mit seinem (nicht geladenen) Gewehr einen jodelnden Bayern. In der Untersuchungshaft muss Miezko der jungen Dolmetscherin Dora den Vorfall erklären – ein Dialog über wechselseitige Vorurteile beginnt.
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